von Kai
„Der Mensch erntet, was er sät.“ Mit erhobenem Zeigefinger hörte ich diese Worte schon früh von meinem Großvater. Was hier sprichwörtlich für menschliche Handlungen und dessen Folgen benutzt wird, beschreibt im Grunde nur das Prinzip der zivilisierten Landwirtschaft. Und so ergeht es mir bald zum ersten Mal in meinem urbanen Leben, dass ich ernte was ich gesät habe. Nicht in Erde und nicht unter freiem Himmel. Wie das geht und warum ich das mache, erläutere ich hier: Indoor Gardening – Ein Experiment.
Schmeckt dass denn überhaupt? Ist das überhaupt nahrhaft? Und wozu? Die Befürworter sehen viele Vorteile: Es wird zunächst mal viel weniger Energie verbraucht, als wenn das Gemüse per Flugzeug kommt und der Konsument fährt nicht mit dem Auto, um ihn aus dem Regal zu holen. Das Produkt ist frischer, es ist garantiert Bio und nicht gespritzt. Platzsparend ermöglicht es auch dem Großstädter seinen eigenen Gemüsegarten zu haben. Und die Frage nach dem eigenen Indoor Garten muss man nicht mit dem Rechenschieber beantworten: Genauso wie der Garten vor dem Einfamilienhaus geht es auch hier um den Spaß, etwas zu pflanzen und die Ergebnisse und Veränderungen zu beobachten. Und wenn man es dann auch noch essen kann, ist die Sinnfrage leicht zu beantworten. Nur ist es so einfach, wie es aussieht?
Mit einem Inbus und einer Betriebsanleitung bewaffnet stelle ich mich der Herausforderung. Eine Indoor Hydrokultur von IKEA. Entwickelt mit einer Universität in Schweden verspricht das blaugelbe Möbelhaus nun ein Stückchen Unabhängigkeit von der industriellen Landwirtschaft. Anschaffungskosten des 3-Etagen Gewächshauses inklusive LED Lampen, Bimsstein, Steinwolle, NPK-Dünger und einer Keimbox liegen bei rund 250 €. Da muß man erstmal schlucken – lohnt sich das Ganze überhaupt?
Nach 2 Stunden steht das erste Häuschen und die LED strahlt in den wachstumsfördernden Wellenlängen 440 und 660 Nanometer. Nach 4 Tagen keimten die ersten Kohlsorten, Rhabarber und Endivien. Innerhalb einer Stunde waren diese in Steinwolle gekeimten Versuchspflänzchen in Bimssteingefäßen platziert und konnten ihren Platz unter der A++ bis A LED Lampen finden. Aufgefüllt mit einem NPK-Dünger (Stickstoff-Phosphor und Kalium) beliefern die Wasserbecken die Pflanzen dauerhaft mit Nährstoffen. Nun hieß es regelmäßig den Wasserstand prüfen und den Pflanzen beim Wachsen zusehen.
![Keimbecken](http://www.wildtable.me/wp-content/uploads/2016/10/IMG_20161004_085736-300x225.jpg)
Keimbecken
![Keimung nach Tagen](http://www.wildtable.me/wp-content/uploads/2016/10/IMG_20161031_123730-300x225.jpg)
Die Gewächshäuser
30 Tage nach der ersten Saat ist die Ernte in Aussicht. Der Arbeitsaufwand hielt sich in diesen 4 Wochen in Grenzen. Waser musste kaum nachgefüllt werden und das ein und Ausschalten des Lichts war auch keine Heldentat. Nur der Algenbefall auf dem Bimsstein machte mir zu schaffen. Ein geringerer Wassersand und das Auffüllen mit frischem Bimsstein konnten den Algenbefall kaum stoppen. Und so verzeichne ich einige Ernteausfälle und Pflanzen mit weniger Wachstum als erhofft. Knapp 75% der 45 Hydrokultur Einheiten zeigen bisher eine reife Performance. *Knock on wood*
![Keimung nach 4 Tagen](http://www.wildtable.me/wp-content/uploads/2016/10/IMG_20161004_125522-300x225.jpg)
Nach 4 Tagen
![Keimung nach einer Woche](http://www.wildtable.me/wp-content/uploads/2016/10/IMG_20161010_090446-300x225.jpg)
Nach einer Woche
![Keimung nach 2 Wochen](http://www.wildtable.me/wp-content/uploads/2016/10/IMG_20161013_125733-300x225.jpg)
Nach 2 Wochen
Aber warum mache ich das überhaupt? Bei Wild Table wurde ein Urban Gardener gesucht. Als Enkel eines Landschaftsgärtners und selbst Teilzeitwinzer konnte ich mich stark mit dieser Herausforderung identifizieren. Auch innerhalb meines Studiums hatte mich Will Allen, ehemaliger NBA Spieler und nun aktiver Urban Farmer in den USA, stark inspiriert. So möchte ich neue Wege finden unabhängiger von der industriellen Landwirtschaft zu werden und vermeiden dass mein Gemüse mehr Kilometer zurücklegt als ich das tue.
Wer Gemüse selbst anbaut erlangt zudem die maximale Transparenz und kann selbstbestimmter leben. So wage ich mich an diesen Indoor-Hydrokultur Trend um herauszufinden ob es eine ökologische und auch ökonomische Alternative ist bzw. werden könnte. Auch die Antwort auf die Frage, wie viel Fläche ist notwendig um den Gemüsebedarf einer Person durch eine Indoor-Hydrokultur Anlage zu decken, reizt mich . Noch stehe ich mit diesem Experiment am Anfang. Im nächsten Blogbeitrag werde ich dann meine ökologische und ökonomische Bewertung darlegen. Bis dahin mache ich mir die Hände schmutzig und versuche das Algenproblem zu lösen…
![Nach 3 Wochen](http://www.wildtable.me/wp-content/uploads/2016/10/IMG_20161018_105949-300x225.jpg)
Nach 3 Wochen
![Nach 4 Wochen](http://www.wildtable.me/wp-content/uploads/2016/10/IMG_20161031_121749-300x225.jpg)
Nach der 4ten Woche: endlich Essbares!